Es ist 23.15Uhr, als mich Dirks Freudenschrei über St. Paulis Auswärtssieg aus dem Schlaf reißt und nur wenige Stunden später gibt es dann schon wieder was auf die Ohren. Um 04.00Uhr klingelt nämlich der Wecker mit schmerzhaft penetranter Hartnäckigkeit - die letzten Tage werden eingeläutet. Raus aus dem Moloch....rein in Ruhe und Melancholie der "Weißen Wüste". Wir verlassen Kairo, im vorbeifahren erhaschen wir bei Sonnenaufgang noch einen kurzen Blick auf die Pyramiden und nach nur wenigen Kilometern verändert sich die Landschaft zunehmend. In der Mitte meines Blickes: Asphalt (Gottseidank). Rechts & Links: Nix. Soll heißen: Sand und Schotter. Den ganzen Tag geht das so: wir sitzen im Auto - unterbrochen nur von einem kurzen Dreh.
Ansonsten geben wir uns der Eintönigkeit der Landschaft hin und genießen die jeweils subjektiv passende Musik auf dem Ohr. Der Ellbogen hängt im Manta-Style zum Bräunen aus dem Fenster, ab und zu bleibt eine laut mitgesungene und aus dem Fenster gespuckte Textzeile zwischen den Dünen zurück. Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir dann endlich unsere Schlafstätte: einen Sandhaufen. Selbst bei Vollmond betrachtet eine ganz schön große Düne. Aus drei Jeeps wird eine Wagenburg, die Gaskocher laufen heiß und bescheren uns dank fachkundigen Helfern ein leckeres Abendessen. Danach schreiten wir zur Schlafsackparade. NATÜRLICH hat jeder DEN Schlafsack dabei und erläutert mit wachsender Begeisterung die Vorzüge seines Modells (und meiner ist wirklich der beste :-)). Und dann ist es soweit: bewaffnet mit Stoffmatte & Schlafsack sucht sich jeder seinen Schlafplatz. Noch ein paar Fotos und dann geht der Blick gen Himmel. Die Kulisse ist absolut phantastisch. Und dann dieser Sound. Das Knistern der Sandkörner, wenn der Wind sie tanzen läßt. Sonst nichts. ICH glaube, es geht nicht besser. Selbst das aufstehen fällt leicht. Schließlich haben wir am Abend bereits alles vorbereitet: die Steadicam ist einsatzbereit und auch den altägyptischen Sonnenkalender haben wir nach Vorgaben bereits in den Sand gebaut.
Mit seiner Hilfe waren die Ägypter schon vor rund 8000 Jahren in der Lage den Beginn des Sommers und der Sommerregenfälle zu berechnen. Eine Weile vor Sonnenaufgang warten wir an unserem selbstgebauten "ägyptischen Stonehenge" auf das richtige Licht. Wir brauchen lediglich einen ganz normalen, in der Wüste völlig alltäglichen Sonnenaufgang. Doch ausgerechnet heute verschwindet die Sonne hinter Wolken...Als wir schon befürchten, am nächsten Morgen einen neuen Versuch starten zu müssen, klart der Himmel endlich auf. Und dann geht alles ganz schnell - muß es allerdings auch, denn das Licht fällt nur für kurze Zeit in einer bestimmten Achse auf den Kalender. Vielleicht ist es ja der Duft von Kaffee in der frühmorgendlichen Wüstenluft - jedenfalls schaffen wir unser Pensum. Unsere täglich größer gewordene Begleiterschar beobachtet unsere Bemühungen nur anfänglich mit Interesse, welches nach kurzer Zeit in Unverständnis umschlägt.
Während wir - mit Dromedar - in praller Sonne die Dünen rauf und runter rennen, gibt sich der Ägypter hier lieber dem Tagesrythmus hin: Tee trinken, schlafen (Achtung: Schnarchen im Ton), beten und Pipi machen. Letzteres übrigens auf eine interessante Art: im knien. Immer wieder diskutieren wir mögliche Vor- und Nachteile, bis Dirk sich zu einem Selbstversuch bereit erklärt. Gespannt beobachten wir aus sicherer Entfernung diese selbstlose Tat. Aber außer dreckigen Knien kann er keine Unterschiede feststellen - kniepinkeln bringt's nicht.