Ich weiss nicht, was ich anziehen soll. Ein wenig ratlos stehe ich vor meiner Reisetasche - ein Gletscherdreh steht auf dem Programm, mit allem was dazugehört. Schlechtes Wetter, Schlepperei und Aufstieg über zwei Kilometer bergauf mit bewegungsintensiver Eiswanderung und eben die Frage nach der Kleidung. Nach Rücksprache mit auskunftsfreudigen Kollegen entscheide ich mich für das Zwiebelprinzip: mehrere Schichten übereinander, bei Bedarf reduzierbar. Glücklicherweise stellt sich diese Entscheidung im Laufe des Tages als goldrichtig heraus - die langen Standzeiten auf dem Eis erfordern nach dem schweißtreibenden Aufstieg eine Aufstockung der Klamotten. Ohne Steigeisen geht gar nichts und leider zeigt sich der
Perito-Moreno-Gletscher heute nicht von seiner besten Seite. Das Wetter ist gelinde gesagt eine Katastrophe, es regnet fast ohne Pause - mal abgesehen von ein paar einzelnen Schneeflöckchen. Und trotzdem ist der Dreh ein erwähnenswertes Erlebnis. An der ein oder anderen Stelle sind intensive Farben zu
bewundern und auch das spürbare Wasserrauschen unter den Füssen lädt zur erhöhten Vorsicht ein. Der Gletscher legt jeden Tag eine Strecke von etwa zwei Metern zurück und wir drehen, wie das gemessen werden kann. Fluoreszierende Farbe wird in das Gletscherwasser geschüttet und die Dauer bis zum Austritt der Farbe gibt Aufschluss über Geschwindigkeit und Verlauf des Gletschers. Und entgegen aller anderslautenden Aussagen: der Perito-Moreno-Gletscher hat sich seit 100 Jahren nicht verändert. Für die Klimaforschung eine wichtige Erkenntnis; ist man doch bisher davon ausgegangen, dass weltweit die Gletscher schmelzen. Apropos schmelzen: so fühle ich mich nach dem einstündigen Abstieg auch - ich bin froh, als ich endlich wieder eine ganz einfache Jeans aus dem Schrank holen kann.