Mittwoch, 24. November 2010

Oben

Der Anzug sitzt wie angegossen. Und ich bin froh, dass ich nicht mehr als nötig mit diesem Dreh zu tun habe. Es leuchtet mir einfach nicht ein, warum ich in Flugzeug steigen soll, nur um in 4000m Höhe auszusteigen. Freiwillig. Gut, die Aussicht ist sensationell - zugegeben. Vor allem, wenn der Ausstieg direkt über Efesus erfolgt. Ich entscheide mich aber trotzdem für eine Karriere als Bodenpersonal und stelle mich auf die Startbahn, um das Abheben der kleinen Propellermaschine aus unmittelbarer Nähe zu drehen. Mit 200km/h Fallgeschwindigkeit stürzt sich Dirk in die Tiefe, begleitet von einem Kameramann, der zwei kleine Kameras auf seinem Helm montiert hat. Es ist mal wieder so ein Tag, der eine Menge Fehlerquellen bietet - doch ausgerechnet heute läuft alles glatt. Das Wetter ist erstklassig, die Fallschirmspringer sind sehr routiniert, die Kameratechnik läuft. Und Dirks Fallschirm öffnet sich. Einer zügigen Weiterreise nach Istanbul steht also nichts mehr im Wege. Für den Dreh in der Hagia Sophia wird unser Team massiv aufgestockt. Licht-und Generator-LKWs, Kamerakran und erweiterte Kameratechnik knubbeln sich  am Drehort und Kagan, unser Aufnahmeleiter. bekommt fransige Übersetzerlippen. Die Sprachbarriere erschwert die Arbeit, Hände und Füße werden zu wichtigen Kommunikationsinstrumenten. 

Überhaupt: die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches ist eine Dauerbaustelle und nur der ewigen Teegenuss versprechenden Zunge unseres Aufnahmeleiters verdanken wir die komplette Räumung der riesigen Halle - die Bauarbeiter trollen sich in die Pause. Ruhe kehrt ein und endlich fliegt die Kamera über die Kronleuchter. Apropos fliegen: Ballonfahren, Fallschirmspringen - Perspektivwechsel sind spannend und deshalb darf der Flug über Istanbul nicht fehlen. Ebenso wenig wie der Sicherheitsgurt - die Tür bleibt offen, die Füsse 

auf den Kufen und wir heben ab. Von Europa nach Asien in nur 12 Sekunden. Wir fliegen mehrmals über den Bosporus und blicken in erstaunte Gesichter, als wir ganz nah entlang der Brücke fliegen. Wieder einmal spielt das Wetter mit und wir erleben einen perfekten Flug. Dazu zählt übrigens auch, dass nichts und niemand rausgefallen ist - soll ja alles schon vorgekommen sein. Was für ein Abschluss.
Morgen fliegen wir in die Heimat und Ende nächster Woche bereits weiter nach Indien. Fast vier Wochen liegen hinter uns; der Kopf voller Eindrücke - der Akku muss aufgeladen werden. Adventskalender, Weihnachtsmarkt und Kälte - der Pullover liegt parat.


Samstag, 20. November 2010

Gegenwind

Entweder man kann Straßen bauen oder man kann es nicht. Leider hält sich die türkische Begabung diesbezüglich spürbar in Grenzen und daher kommt mir die heutige Erweiterung unseres Dienstfahrzeugportfolios sehr entgegen: eine Ballonfahrt über Kappadokiens spektakuläre Felsformationen und Höhlenkirchen steht an. Es ist gerade einmal kurz nach sechs, als die ersten Sonnenstrahlen über die Bergkuppen klettern und wir den Boden unter den Füssen verlieren. Stille. Einsamkeit. Sich einfach mal treiben lassen. Landschaft pur,
verpackt in visuellem Verwöhnaroma. Unsere Erwartungshaltung ist groß, denn die Ur-Christen haben hier große Wohnhöhlen errichtet, Kirchen in Höhlen geschlagen und riesige
unterirdische Städte angelegt, in denen jeweils etwa 10.000 Menschen gelebt haben – bis zu 10 Stockwerke tief unter der Erde. Die pazifistischen und zutiefst gläubigen Bewohner zogen sich bei römischen Angriffen hierher zurück, wurden regelrecht unsichtbar. Aus der Luft betrachtet erinnern die Bauwerke ein wenig an Schlumpfhausen – wenn wir doch nur näher ran könnten. Viel näher. So wie die anderen halt. 49 Ballone hängen nämlich wie festgenagelt über dem Drehort. 
Lediglich Nummer 50 entfernt sich langsam, aber stetig und unaufhaltsam. An Bord: ein Team des Zweiten Deutschen Fernsehens. Hilflos dem Wind  ausgesetzt, müssen wir mit 
ansehen, wie die 488 Passagiere der Konkurrenz-Ballone ihre Kameras zücken, um uns auf Erinnerungsfotos zu verewigen. Ihr Lachen klingelt in den Ohren, brennt sich tief in unsere geschundenen Seelen. Und spornt unseren Piloten an. Wir sinken, wir steigen; Francesco sucht in den verschiedenen Luftschichten händeringend nach dem richtigen Wind, um den Ballon näher an das Ziel zu bugsieren. Für einen Moment haben wir Hoffnung und es gelingt tatsächlich eine kurze Annäherung an die Glückseligkeit, gefolgt von einem erleichterten Team-Durchatmen...
Den Rest des Tages verbringen wir an und in den Wohnhöhlen, stolpern gebückt durch die schmalen Gänge, beeindruckt von den überragenden Heimwerkerqualitäten der Erstbewohner. Wenn ich mir dagegen meine zwei linken Hände anschaue...

Donnerstag, 18. November 2010

Ziege ist aus

Es ist zum Mäuse melken: Monatelang wird recherchiert und telefoniert. Fragenkataloge rasen durch das World Wide Web - die Antworten werden natürlich mehrfach hinterfragt - bis endlich Flüge gebucht, Hotels reserviert und Drehpläne geschrieben werden. Es vergehen Wochen, bis das Team anreist und vor Ort wird der liebevoll geschriebene und mit Wissen gespickte Drehplan abschließend erläutert, Einzelheiten werden diskutiert und ehe man es sich versieht, klingelt der Wecker das erste Mal um 04.30Uhr. Ballonfahren, Fallschirmspringen, Hubschrauberfliegen... Das Programm hat viel zu bieten und während der Dreh mit dem abgebildeten Sperber noch gut verläuft, gestaltet sich die Suche nach einer Ziege als nahezu aussichtslos. Und das in der Türkei - welch eine Schmach. Das Land ist schließlich voll mit Ziegen. Aber auch auf türkischer Seite hat man die Organisation einer Ziege wohl  als "problemlos"eingestuft. Und jetzt telefoniert sich der türkische Aufnahmeleiter die Finger wund. Seit Tagen steht das Telefon nicht mehr still, mittlerweile gehen Anrufe aus dem ganzen Land ein - keine Ziege. Naja, wir suchen ja auch nicht irgendein Tier.
Sondern dieses eine besondere: eins mit prallem Euter - wir wollen die Ziege nämlich melken. Aber: Fehlanzeige. Und so wird aus einem erwartet "einfachen" Dreh ein unerwartet großes Problem. Bis heute. In Gedanken melken wir schon ein Schaf, als uns aus Kappadokien der Hinweis auf eine "ich bin bereit für das Fernsehen"- Ziege erreicht. Da wir ohnehin auf dem Weg nach Göreme zum Ballonfahren sind, legen wir einen Zwischenstopp ein und bringen den Dreh erleichtert hinter uns - Ziege und Moderator sind wohlauf, erfreuen sich bester Gesundheit und dürfen zum Abschluss noch  den Sonnenuntergang geniessen...das haben sich beide nach der Strapaze aber auch verdient.

Montag, 15. November 2010

Sand im Getriebe

Irgendwie fängt es nicht so richtig gut an. Die Ausreise aus Israel ist ein langwieriger und nervender Prozess; etliche Sicherheitskontrollen und Befragungen beschäftigen uns über fast vier Stunden. US-amerikanische Grenzkontrollen erscheinen dagegen schon fast wie ein Kindergeburtstag. In Istanbul haben wir dann so viel Verspätung, dass wir den Anschlussflug nach Adana nur durch sportliche Höchstleistungen und heftiges Flehen um Gnade bei den Kontrollen erreichen. Kaum haben wir in der prall gefüllten Maschine Platz genommen, geht es auch schon los. Oder auch nicht - Stau. Eine Stunde stehen wir in der überheizten Maschine auf der Startbahn und der Pilot mit den vielen "Ü" im Namen bedankt sich für unser Verständnis. Hm. Wir sind heilfroh, als wir nachts endlich in unsere weichen Betten fallen. Schließlich geht es direkt weiter in die Berge - Nomaden und ihre Kamele möchten wir gerne drehen, aber das ist gar nicht so einfach. Als wir ein kleines Dorf mit unaussprechlichem Namen erreichen, müssen wir auf ein neues Dienstfahrzeug umsteigen. Allerdings nicht, ohne sämtliche
Männerhände des Ortes zu schütteln. Jeder will uns persönlich begrüßen, ein paar Worte wechseln und das Umladen unserer Ausrüstung auf den Hänger wird neugierig verfolgt. Etwa zwei Kilometer entfernt halten sich die Nomaden auf - leider stösst auch der Traktor an seine Grenzen. Der weiche Boden und die
abgefahrenen Reifen zwingen uns zu einer kleinen Planänderung: eigentlich sollte der Trecker uns den
Berg hoch bringen - jetzt läuft es leider umgekehrt.  Egal, nach einer Stunde sind wir in dem kleinen Lager. Alleine. Die Tiere sind noch unterwegs und so können wir in Ruhe die Technik vorbereiten. Und auf einmal sind wir umringt von Kamelen. Ungefähr 30 Tiere trudeln allmählich ein, die Koordination des Drehs wird zu einer Herausforderung und mehrfach müssen die Tiere auf die Ausgangsposition
gebracht werden. Für die Hirten nichts ungewöhnliches, ihre Vorfahren machen das schon seit einigen tausend Jahren. Hier in der Türkei ist der Mensch nämlich sesshaft geworden, der Nutztierhaltung sei Dank. Unsere Vorfahren fanden Mittel und Wege, Nahrung zu lagern und liessen sich nieder. Im Laufe der  Evolution bogen dann einige rechts ab und wurden Asiaten - andere bogen links ab und wurden Europäer. Also, im Grunde sind wir alle Türken.


Freitag, 12. November 2010

Shalom

Eine Schrippe ist ein Rundstück ist eine Semmel ist ein Wecken ist ein Brötchen. Und am Ende wissen doch alle, worum es geht. Das gesellschaftliche Gefüge in Israel erscheint kompliziert, speist sich jedoch aus einer gewaltigen Vielfalt - Komplikationen sind programmiert. Das jedenfalls ist unser Eindruck nach diesem Dreh. Prügelnde Priester an der Grabeskirche, die sich um die kirchliche Zugehörigkeit einer einzelnen Stufe streiten sind ebenso an der Tagesordnung wie gelbbemützte Pilger und ultra-orthodoxe Juden. Die Macht der Religionen prägt das Stadtbild und die Sicherheitskräfte stehen dem in nichts nach. Weihrauch in der Nase, Gebetsgemurmel in den Ohren, das Gedränge der Gassen an
der Haut: es sind besondere Momente, die wir hier erleben. Wir lassen Jerusalem hinter uns und machen uns auf den Weg in die Türkei. Hubschrauberflüge, Fallschirmspringen, Mönchsrobben und eine völlig Touristenfreie Hagia Sophia - der Drehplan ist gespickt mit spannenden Themen. Tema Israel meldet sich ab und bald meldet sich Team Türkei.
Ach ja, ein Honecker-Donut ist übrigens ein Pfannkuchen ist ein Krapfen ist ein Berliner. Ein schöner Dreh geht zu Ende und deswegen gibt es zum Abschluss noch den Sieger des Luftgitarrenwettbewerbs... immerhin mit Blick auf Jerusalem.


Mittwoch, 10. November 2010

Jeder nur ein Kreuz


Der Wecker klingelt heute mal wieder zu einer völlig unchristlichen Zeit. Um 04.30Uhr quäle ich mich mit schweren Beinen und kleinen Augen aus dem Bett. Der Blick in den Spiegel erübrigt sich und zu meinem Leidwesen scheitert selbst das koffeinhaltige Heissgetränk aus der mobilen Espressomaschine an meinem schlafbedürftigen Körper. Die nahezu sprachlose Fahrt durch das dämmrige Jerusalem stimmt uns langsam auf unsere Mission ein; denn ein Großkampftag erwartet uns: wir gegen den Rest der Welt. Quasi. Der Rest der Welt nämlich hat sich hier in der heiligen Stadt versammelt um mit Tennissocken, Sandalen und einer Kappe mit dem Logo der Glaubensrichtung lautstark singend und klatschend durch die antiken Gemäuer zu stolpern. Der ästhetisch zweifelhafte Auftritt legt den Verkehr völlig lahm und lässt kaum einen Zentimeter der Altstadt Jerusalems unberührt.
Mit stoischer Ruhe lassen die geschäftstüchtigen Bewohner die alltäglichen Invasionen über sich ergehen. Und wir? Wir bauen unsere Kamera bereits um 06.00Uhr auf dem Ölberg auf - es ist die einzige Chance, stimmungsvolle Bilder ohne Pilgertourismus einzufangen. Die folgenden drei Stunden sind wunderbar, denn die Atmosphäre zieht uns unweigerlich in ihren Bann: Al-Aqsa Moschee, Klagemauer und Grabeskirche - die Heiligtümer der Weltreligionen sind nur einen Steinwurf voneinander entfernt und schaffen eine grosse Intensität. Und Spannung. denn immer wieder kommt es hier zu massiven Auseinandersetzungen - glücklicherweise sind unsere heutigen Dreharbeiten davon nicht betroffen. Am Fusse der Grabeskirche begegnen wir dann einer interessanten Geschäftsidee. Frei nach dem Motto "Jeder nur ein Kreuz" können die Gläubigen mit einem Holzkreuz den Leidensweg Jesus ablaufen. Und wenn man durch die Stadt läuft, hat man den Eindruck, dass es einfach nicht genug Kreuze gibt - überall trifft man auf Event-Pilger, die sich alle paar Meter mit dem Kreuz abwechseln.
So intensiv die Atmosphäre, so kompliziert allerdings die Bestimmungen. Für einige der ausgewählten Drehorte benötigen wir bis zu 17 Drehgenehmigungen der Anrainerkirchen und auch die Fortbewegung mit zwei Gepäckkarren erfordert Geduld in diesem Trubel. Für den Blick auf die Klagemauer verlangt der entsprechende Terrassenbesitzer normalerweise 25.000$ - Rooe, unser Aufnahmeleiter, handelt ihn mit grosser Leidenschaft auf Null herunter. Sein rhetorisches Geschick in diesem schwierigen Gefüge ist

tatsächlich Gold wert. Aber auch die Dreharbeiten am Felsendom unterliegen strengen Sicherheitsbestimmungen. Politisch-religiöse Machtspiele ermöglichen uns schließlich knappe zwei Stunden Drehzeit. Als sich die Höfe um den Dom endlich für das bevorstehende Gebet leeren, entfaltet sich der Zauber des Heiligtums. Für einen kurzen Moment herrscht Stille; Lärm und Hektik der Stadt treten widerstrebend den Gang in die Bedeutungslosigkeit an - unbezahlbar.




Samstag, 6. November 2010

Höhenflug

Der kleine Flugplatz in der Nähe des See Genezareth ist wahrlich nichts besonderes. Autos kreuzen in aller Ruhe die einzige Startbahn, der Tower besteht aus einem kleinen Baugerüst mit gelangweiltem Studenten und aufgeklapptem Sonnenschirm - eine Kaffeebude sucht man vergeblich. Dafür gibt es jede Menge Segelflugzeuge - und deshalb sind wir hier. Es ist zwar noch früh am Morgen, aber es herrscht bereits allseits rege Betriebsamkeit. Auch die beiden Piloten Tali & Nani basteln schon fleißig. Sie bereiten ihre Motorsegler für unsere Dreharbeiten vor, während wir mit großer Akribie die Kameraausrüstung präparieren. Wir wollen mit zwei Flugzeugen fliegen - Dirk in dem einem und ich in dem anderen. Was so einfach klingt, ist allerdings nicht ohne. Drei Kameras müssen eingerichtet werden und die Tonaufzeichnung in einem Flieger ist kompliziert. Hinzu kommt der hohe Kuschelfaktor im Cockpit: die große Kamera stört die Zweisamkeit nachhaltig - eng nebeneinander sitzend ist die grazile Akrobatik eines Schlangenmannes gefordert. Aber bevor es soweit ist, weist mich Nani nachdrücklich auf die kleinen blauen Papierbeutel hin - man weiß ja nie, wie sich der Magen so verhält. Ich murmel was von Flugerfahrung und gutem Wetter, versuche lässig zu wirken, aber irgendwie komme ich wohl nicht so überzeugend rüber. Das liegt vermutlich aber auch daran, das wir in etwa 1200m Höhe das Schiebedach aufmachen wollen, um freie Sicht auf Dirks Flieger zu haben. Ein ziemlich komisches Gefühl, wenn man auf einmal im Freien sitzt und bei 120km/h den Kopf aus dem Fenster hält.
Mein Arbeitsgerät macht sich ganz schön breit und ich versuche, mich ein wenig aufzufalten, während der an der Kamera montierte Kreiselstabilisator die schlimmsten Vibrationen verhindert. Thermik ist unser Thema, immer wieder sinken und steigen wir mit Tempo - der pfeifende Alarmton brennt sich in mein Ohrengedächtnis und die roten Warnlampen tanzen Tango. Kurz, ganz kurz denke ich über die kleinen blauen Papierbeutel nach. Und Nani? Nani lächelt. Der Mann ist voll in seinem Element, geniesst jeden Augenblick. Doch dann gerät der Rückflug völlig aus den Fugen: Nani deutet erklärend auf den Steuerknüppel und Pedale, nimmt kurzerhand die Hände weg und ruft strahlend: "your plane". Na toll. Vorsichtig bewege ich den Steuerknüppel, sofort reagiert der Segler und macht ziemlich genau das Gegenteil von dem, was ich will. Noch einmal. Und schon dreht die Maschine heftig ein - das macht Spaß! Langsam gewöhne ich mich an die Bewegung, am liebsten würde ich den ganzen Tage weiter fliegen. Nanis Gesicht zeigt unbändige Freude - und die blauen Papiertüten werden wohl noch warten müssen.


Donnerstag, 4. November 2010

Und täglich grüsst das Dromedar

Reset - alles auf Anfang. Langsam schwebt der Kran zurück auf die Ausgangsposition, Dirk setzt sich an sein Lagerfeuer und die Dromedare hocken sich dekorativ ins Wüstengeröll. Also noch einmal. Dirk steht auf, geht zu den Tieren und steigt auf das weisse Dromedar. Ist ja wohl nicht so schwer. Aber es soll einfach nicht sein, die Koordination zwischen Kamerakran, Tieren und Moderator ist - wie soll ich sagen - suboptimal. Konkret: Kamerakran und Moderator verstehen sich blendend -  die Dromedare hingegen weisen ein deutliches Kooperationsdefizit auf. Und dann ist da ja noch die israelische Luftwaffe, die über uns im blauen Himmel den Luftkampf trainiert und Johns Kopfhörer, sowie unsere Nerven einer echten Geduldsprobe aussetzen. Die Temperatur steigt gnadenlos und Dromedar Harry unterstreicht mit jedem Take sein Recht auf freien Willen. Erst Take 14 bringt die Erlösung und Harry verabschiedet sich mit lautem Gebrüll. Was für ein Tag.
Erleichtert machen wir uns auf den Weg zum Toten Meer. Die nächsten Tage sind geprägt von der öligen Flüssigkeit, die kleinste Hautverletzungen mit brennendem Schmerz bestraft - unglaubliche 33% Salzgehalt machen es möglich. Sogar ein Tauchgang steht auf dem Programm. Nicht ganz ungefährlich, denn Wasser in der Lunge bedeutet Lebensgefahr und Wasser in den Augen ist unbeschreiblich schmerzhaft. 60kg Gewicht machen das Abtauchen überhaupt erst möglich - doch der Anblick der funkelnden Salzkristallwände ist sensationell. Das Tote Meer ist übrigens gar kein Meer, sondern mit 400m der am tiefsten gelegene See der Erde. Langsam, aber sicher verdunstet er und an seinem Ufer 
bilden sich bizarre Strukturen. Aber leider auch gefährliche. Immer mehr ausgetrocknete Bereiche brechen einfach zusammen und was so stabil aussieht ist, ist lediglich weiche
Pampe - und im Gegensatz zu Harry leistet sie keinerlei Widerstand... Trügerisch ist wohl das richtige Wort. Trügerisch ist übrigens auch die Ruhe bei uns am Set. Der Luftgitarrenwettbewerb läuft nämlich auf Hochtouren und wer hier die bessere Figur macht, bleibt eurer Entscheidung überlassen...


Montag, 1. November 2010

Hangover

Die Anreise verläuft mehr als geschmeidig - ein wunderschöner Flug über die Alpen und eine unerwartet unkomplizierte Einreise nach Israel. Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet, die Sicherheitslage ist schließlich nicht so leicht zu durchschauen. Aber der Papierkram dauert nur wenige Minuten und schon bald sitzen wir in unserem israelisch-russischen Discomobil. Dima, unser Fahrer, ist nicht nur Russe, sondern auch eine coole Sau mit einem ausgeprägten Hang zu Bumbum-Musik. Und keine 24 Stunden später gibt Dirk auch schon alles. Muss er auch, denn seine Drehpartner haben es richtig drauf: Nubische Steinböcke. Es ist nämlich so: man kann klettern - oder klettern. 
Während Dirk sich also mal wieder richtig hängen lässt, springen die lebhaften Zeitgenossen elegant die Steilhänge rauf und runter und setzen sich für die Kamera glänzend in Szene - damit haben wir nicht gerechnet. Prompt überrumpelt uns dieser leichte, wenn auch trügerische Zustand - das Hochgefühl stellt sich quasi postwendend ein und wird uns auch so schnell nicht wieder los. Mit dem nächsten Sonnenaufgang singen wir es in die Ödnis: Seid umschlungen Millionen. Diesen Kuss der ganzen Welt.  
Was für ein Anblick. Mitten in der Wüste grüßt der gute alte Schiller, trägt uns lächelnd in den Tag. Toll. Wir sind in Timna, einer Kupfermine, in der schon vor etwa 7000 Jahren Kupfererz abgebaut wurde - mit blossen Händen und einfachstem Werkzeug haben sich die Arbeiter in den Berg gegraben und so ein sensationelles Tunnelsystem geschaffen. Auf allen vieren kriechen wir mit unserer Technik durch die Röhren und schon nach kürzester Zeit sind wir wir völlig verdreckt. Die Kamera in dieser Enge zu bewegen und einzurichten wird zu einer echten Herausforderung und der dazugehörige Dolly macht die Sache auch 
nicht gerade leichter. Aber: gegen Mittag haben wir alles im Kasten und es ist Zeit für eine kleine Tanzeinlage. Nach der morgendlichen "Ode an die Freude" folgt nun also die "Ode an den Funk" - so kann es weiter gehen!