Donnerstag, 30. September 2010

Schlangentanz

Darf ich vorstellen: Harry. Harry ist eine hochgiftige Klapperschlange und unser heutiger Hauptdarsteller. Und das ohne viel tun zu müssen. Kaum taucht er auf, kann er sich unserer ungeteilten Aufmerksamkeit sicher sein. Denn Harry weiß, was er kann. Und wir wissen das auch. Hochkonzentriert bereiten wir also das Set vor, eine wunderschöne Schlucht in der Nähe von La Paz. Es ist  eine Art von Dreh, den man nur sehr bedingt beeinflussen kann. Eigentlich gar nicht. Denn egal, was man plant - das Tier gibt den Takt an. Im Fall von Harry müssen wir uns also komplett auf seine Bewegungen einlassen. Gar nicht so einfach, denn gleichzeitig müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Die Tasche mit dem Antiserum liegt bereit und Victor, unser Schlangenexperte, bleibt in der Nähe der Kamera. Und: die Schlange verfügt über eine wunderbare Alarmanlage - ihre Rassel. Das Ding macht einen ziemlichen Lärm und so lange sie den veranstaltet, ist alles in Ordnung. Erst wenn sie damit aufhört, wird es kritisch. Wir beginnen mit den Dreharbeiten und Harry zeigt sich wirklich sehr kooperativ. Während ich mich mit  der Steadicam bis zu 1m an das Tier herantaste, nähert sich Dirk von der anderen Seite an. Eine wunderschöne Szenerie im Sonnenuntergang und nach nur wenigen Takes ist die Einstellung abgedreht. Fast. Denn als Höhepunkt soll Dirk die Schlange melken. Die Stimmung ist angespannt, eine falsche Bewegung und die Schlange beißt zu. Aber auch hier zeigt sich Harry von seiner besten Seite - erst beim loslassen versucht er Dirk zu beissen, doch der reagiert genau richtig. Und ist doch froh, als er es hinter sich hat. 

Dienstag, 28. September 2010

Backofen


Es ist definitiv zu heiß. Viel zu heiß. In der brütenden Mittagshitze gleicht Mulegé einer Geisterstadt. Die Klimaanlage unseres Stoßdämpferfreien Zwei-Achsers ächzt im Grenzbereich und wir passen uns den örtlichen Gepflogenheiten an - Siesta. Es ist unmöglich, in diesem Backofen zu arbeiten. Mal ganz davon abgesehen, das das Mittagslicht absolut nicht kameratauglich ist. Die felsig-karge Kakteenlandschaft muss sich folglich bis zum Nachmittag gedulden. Aber das, worauf wir uns schon den ganzen Tag gefreut haben, kommt ohnehin erst viel später: ein Nachttauchgang. Nicht irgendeiner - sondern hoffentlich einer mit ganz besonderen Gästen: Riesenkraken. Es sind phantastische und unheimliche Geschichten, die über die Humboldt-Kalmare erzählt werden - von ihrer beeindruckenden Größe ist die Rede, aber auch von ihren Angriffen gegen Fischer und Taucher. Nachts kommen die bis zu 2m grossen Fleischfresser aus der Tiefsee an die Oberfläche und wir wollen wissen, ob diese Berichte stimmen. Fischer, denen wir von unserem Vorhaben erzählen, schütteln verständnislos den Kopf. Wir machen uns auf den Weg hinaus auf's offene Meer und bereiten die Unterwasserkamera vor. Die Stimmung ist gut, denn die Chancen auf Kontakt mit den Tieren stehen nicht schlecht. Mick, der leicht verbraucht wirkende, aber nette britische Tauchguide hat Seile mitgebracht. "Glaubt mir - es ist besser, wenn wir euch am Boot anbinden - die Kalmare sind kräftig und können einen Taucher ziemlich schnell runterziehen. Und zieht besser die Tauchanzüge an - nur für den Fall, dass sie euch zu nahe kommen." Danke Mick. Meine Erfahrung mit Nachttauchgängen hält sich ohnehin in Grenzen und ich frage mich, ob ich die mittags begonnene Siesta nicht lieber fortsetzen sollte. Stattdessen sitze ich hier im Dunkeln, versuche mich zu  konzentrieren und warte auf das Startzeichen. Nervosität hat die Vorfreude verdrängt. Ein letzter Kameracheck und Rolle rückwärts ins 30℃ warme Wasser. Der Anblick ist beeindruckend.... Schwarz. Ich will gar nicht wissen, was hier alles um mich 
herumschwimmt. Orientierung ist nahezu unmöglich und das nicht nur wegen der Dunkelheit; die Strömung ist ausgesprochen stark, ich fühle mich wie in einer Waschmaschine. Ein Sturm hat das Meer in den letzten Tagen aufgewühlt und wir hängen hilflos in den Überbleibseln. Denn so glatt die Wasseroberfläche auch erscheinen mag, so unruhig ist es ein paar Meter tiefer. Ohne Seil würden wir innerhalb von Sekunden abtreiben - ich schicke einen nonverbalen Dank zu Mick an die Oberfläche. Sabine, Dirk und ich verständigen uns mit Hilfe von Lichtsignalen und drehen zumindest eine Moderation. Aber bereits nach wenigen Minuten - einer gefühlten Ewigkeit - müssen wir den Tauchgang frustriert und ohne Kalmar-Kontakt abbrechen, denn eine kontrollierte Kameraarbeit ist unmöglich. Aber die Neugier ist geweckt - wir kommen wieder. Auch wenn das Wasser durchaus etwas kühler sein könnte.

Sonntag, 26. September 2010

Sitzfleisch II

Der Mann hat gut lachen: seine Pferde und meine Reitkünste werden ihm noch eine Weile im Gedächtnis bleiben. Es sei ihm gegönnt, so eine Show bekommt er wahrscheinlich nicht oft - selten hat  Kommunikation so versagt, wie zwischen dem namenlosen Pferd und mir. Unsere kleine Gruppe macht es besser: als wir am nächsten Morgen um 04.30Uhr Richtung Flughafen aufbrechen, tauschen wir immerhin Basisemotionen aus - mehr ist aber auch hier nicht drin. Ein langer Tag liegt vor uns, wir bewegen uns von Uruapan nach Mulegé auf der Baja California. Mexiko ist groß, unsere Reise wird etwa 17 Stunden in Anspruch nehmen. Mit dem Flieger nach Tijuana, umsteigen und weiter nach La Paz. Dann noch sieben Stunden Autofahrt und schwupps: schon sind wir da. Eigentlich läuft alles wie am Schnürchen, es gibt lediglich kleinere Unterbrechungen an den militärischen Check-Points. Türen öffnen, aussteigen und das Auto wird durchsucht. 28.000 Zivilisten sind in den vergangenen drei Jahren bei Gefechten mit Uniformierten ums Leben gekommen, die Toten aus Bandenkriegen noch nicht mitgezählt. Der Drogenkrieg beutelt das Land, Mord und Kindesentführung sind an der Tagesordnung. Und das Phänomen, sich mit diesen Zuständen zu arrangieren hat Namen: "Shifting Baselines". Oder vereinfacht gesagt: man gewöhnt sich an alles.

Und noch ein Nachtrag in eigener Sache: Thorsten, der Mann mit dem exquisiten Geschmack hat sich beschwert. Nein, nicht über sein Essen. Natürlich nicht. Sondern über meine - seiner Meinung nach - unzureichende Beschreibung der olfaktorischen Beleidigung, die ihm und uns widerfahren ist. Er legt Wert auf die Feststellung, dass sich der genannte Geruch zwischen Erbrochenem und Kleinkindkot einordnen lässt. Was soll ich sagen? Er hat Recht.




Samstag, 25. September 2010

Sitzfleisch

Die Regenzeit hat Mexiko fest im Griff, jeden Nachmittag verdunkelt sich für einige Stunden der Himmel und schon bald prasseln sintflutartige Regenfälle lautstark gegen die abgedunkelten Scheiben unseres Bluesmobils. Wir schaukeln über überschwemmte Straßen, die Stoßdämpfer haben ihre Arbeit offensichtlich schon vor  längerem eingestellt: sie malträtieren rücksichtslos unsere Bandscheiben. Die Scheibenwischer ächzen unter dem geforderten Dauersprint über die Windschutzscheibe und das Radio kränkt unsere Ohren mit klagenden mexikanischen Trompeten. Also, Kopfhörer auf und ab ins Land der Träume. Denn trotz der riesigen Schlaglöcher und Bodenwellen ist es in der Horizontalen einigermaßen auszuhalten. Lange Fahrten gehören mittlerweile zum Alltag - sie sind auf dem besten Weg, Teil der Jobbeschreibung zu werden. Dazu gehört übrigens auch der Stahlmagen. Thorstens Abendessen stinkt so widerwärtig, dass es unseren Atem stocken lässt und während wir versuchen dem bestialischen Geruch mit erlesenem Humor zu begegnen, stellt er sich mutig dieser kulinarischen Herausforderung. Und sieht ein, das Kapitulation keine Schwäche sein muss. Das man sich ihr stellen sollte, ohne Angst. Aufrecht und mit breiter Brust. Die mir aber leider überhaupt nichts nutzt, als ich am nächsten Morgen unbeholfen auf meinem Pferd Platz nehme. Auch das erwähnte und über die Jahre erarbeitete Sitzfleisch hilft hier nicht weiter: wir reiten auf den Vulkan Paricutin und ich begreife schnell, das der unter mir agierende Einhufer eine völlig andere Auffassung von partnerschaftlicher Fortbewegung hat als ich - nach nicht einmal zehn Minuten geht er das erste Mal durch. Es soll nicht das letzte Mal bleiben. Immer wieder demonstriert er seine Macht.
Try and...
Um dann gar nicht mehr zu gehen. Mein aufmunterndes Gebrabbel klatscht ungehört in den staubigen Ascheboden, schon lange liege ich weit abgeschlagen am Ende unserer kleinen Reitgruppe und denke fast schon sehnsüchtig an das letzte Lebenszeichen "meines" Pferdes. Dem geneigten Leser will ich  hier weitere Details über meine Knie-, Hüft- und Pobeschwerden ersparen - die verstehen sich von selbst.
...Error
Steif steige ich ab und ziehe den Sturkopf hinter mir her. Einziger Trost: Dirk erklärt sich solidarisch. Allerdings nicht ganz freiwillig, denn sein gesattelter Freund gehört auch nicht zu den bewegungsfreudigsten. Also geht es zu Fuß weiter. Und das deutlich schneller als vorher. Es dauert nicht lange, bis wir einen wunderbaren Blick auf den Vulkankegel haben. Die Lastpferde werden abgesattelt und wir fangen an zu drehen. Trotz der dicken Regenwolken hält das Wetter ausnahmsweise und so können wir uns bald wieder an den
Abstieg machen. Ross und Reiter ignorieren sich weiterhin konsequent, ein zweiter Drehort steht auf dem Programm und auf dem Pferderücken käme ich wahrscheinlich nie an. Der Vulkan Paricutin entstand 1943 auf dem Feld eines Bauern - völlig unspektakulär mit einem lauten "Plopp". Neun Jahre Aktivität vernichtete einige Dörfer, es gab jedoch keine menschlichen Opfer zu beklagen. Lediglich vor dem Altar einer Kirche machte der Lavastrom halt und heute sind die Überreste einer Kirche mitten im Lavafeld zu bestaunen. Eine ziemlich abgefahrene Location, jede Minute des heutigen Tages hat sich  gelohnt.
Und morgen? Morgen ist wieder alles wie gehabt. Anreise nach La Paz, auf die Baja California. 17 Stunden Sitzfleisch. Puh.

Mittwoch, 22. September 2010

Wo Menschen Götter wurden

Mein Körper weiß noch nicht so genau, was er mit der veränderten Tag-Nacht Situation anfangen soll. Die 14 Stunden Zeitverschiebung fühlen sich nämlich an, als ob Teile von mir noch im Raum-Zeit-Kontinuum festkleben, während sich der Rest mühsam und ohne nennenswerten Erholungsfaktor durch die erste Nacht schleppt. Den anderen geht es ähnlich und so nutzen wir tagsüber jede sich bietende Gelegenheit, um die Augen für ein paar Minuten in den Schlafmodus zu versetzen. Doch als wir an unserem Ziel ankommen, hat niemand mehr Lust auf weitere Nickerchen - Teotihuacán liegt vor uns, die 1000 Jahre alte Hauptstadt der Azteken. Im Zentrum der  altamerikanischen Metropole liegt die Sonnenpyramide, drittgrößte Pyramide der Welt und unser heutiger Drehort - ohne Fahrstuhl. Langsam steigen wir die Treppe hinauf, um mich herum wird es allmählich ruhig. Der ein oder andere lockere Spruch prallt an dem Bauwerk ab, lediglich mühsam unterdrücktes Keuchen ist noch zu vernehmen - wir befinden uns auf 2.300m Höhe, die lassen sich beim Klettern halt nicht schönreden. Geplant ist eigentlich eine Steadicam-Einstellung die Treppe hinauf - die Höhe der einzelnen Stufen lässt das aber nicht zu und so disponieren wir um. Heute läuft die Zeit endlich mal nicht gegen uns: eine Sondergenehmigung macht es möglich, dass wir außerhalb der Öffnungszeiten am Abend drehen dürfen. Bis zu 200.000 Menschen sollen hier gelebt haben und als wir endlich alleine in der Dämmerung sind, spüren wir die Ausstrahlung dieses mystischen Ortes, in dem regelmäßig Menschen als Opfergabe für die Götter der Azteken in blutigen Ritualen hingerichtet wurden.  Teotihuacán - der Name ist Programm: "wo Menschen Götter wurden".

Montag, 20. September 2010

Sushi & Salsa

Der Tag beginnt nicht nur richtig früh, sondern auch traditionell japanisch: mit Schlange stehen. Diesmal stehen wir allerdings nicht am Ende, sondern bilden unfreiwillig den Anfang. Während wir in der Halle warten, bildet sich hinter uns zügig eine kleine Schlange. Einfach so und ohne Grund. Wir sind auf dem Weg nach Hokaido, wollen dort Lachse filmen. Ein ganzer Tag ist dafür vorgesehen, aber leider sind die Fahrtzeiten auf der Insel so lang, dass uns doch nur wenig Zeit bleibt, um die geplanten Einstellungen zu drehen. Also, Angleranzüge raus und ab in den Fluss. Überall schauen Flossen aus dem flachen Wasser, die Lachse kämpfen sich stromaufwärts in ihre Geburtsgewässer und vollbringen dabei  wahre sportliche Höchstleistungen. Ihre Belohnung: das Laichen. Gefolgt vom Tod. Der allerdings auch schon vorher eintreten kann, denn Hokaido hat eine höhere Braunbärdichte als Alaska. Soll heißen: Augen auf am Ufer und immer schön quatschen, damit die Bären gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen. Die Unterwasserkamera wird eilig vorbereitet und wir bekommen tatsächlich wunderschöne Aufnahmen, was gar nicht so einfach ist, weil sich die Tiere mit hohem Tempo bewegen. Durchfroren vom kalten Wasser machen wir uns schließlich auf den Rückweg und haben nur noch einen Drehtag vor der Brust. Und jetzt schliesst sich noch ein Kreis - wir drehen in Tokyos Stadtteil Shibuya,  zentral auf der Kreuzung. 
Es ist ziemlich viel los - genau das, was wir wollen. Das Problem bleibt jedoch die Kamerabewegung, denn wir wollen mitten im Gewühl einen Gang mit anschließender 360°Grad Drehung drehen. Das ist nicht nur eine Herausforderung für das gesamte Team - wir können nur hoffen, dass der aufmerksame Fussgänger unserer elfengleich vorgetragenen Tanzchoreographie jederzeit graziös ausweichen kann. Ohne die Hilfe weiterer helfender Hände, die mir den Rücken freihalten, ist dieses Vorhaben völlig undenkbar. Ich würde jetzt gerne mal in die Vogelperspektive wechseln - nur für einen klitzekleinen Moment - und nur, um zu sehen, wie wir mit unserem kreisförmigen Tanz Eleganz versprühen. Es sind allerdings einige Takes nötig, immer wieder stören uns Kleinigkeiten im Ablauf. Erst als es bereits zu dämmern beginnt und die Lichter an Tokyos grösster Kreuzung angehen, können wir unseren Drehschluss vermelden und das ohne Fussgänger-Camera-Crash. Eine schöne Produktion ist vorbei und bereits morgen Abend sitzen wir im Flieger nach Mexiko-Stadt. Einmal um den Globus, knappe 20 Stunden Anreise und 14 Stunden Zeitverschiebung. Südamerika, wir kommen...

Freitag, 17. September 2010

Reinkultour


Wenn hoch entwickelte Kulturen miteinander kommunizieren und ihr gesamtes, über die Jahrtausende erworbenes Wissen bündeln, so kann am Ende Großes dabei herauskommen. Kann. Muss aber nicht – wie mit diesem Piktogramm eindrucksvoll bewiesen wird. Aber immerhin schließt sich der Kreis, nach gut einer Woche Japan habe ich endlich verstanden, wie das mit dem „Geschäft“ funktioniert. Und es ist offensichtlich einfacher, als anfangs gedacht. Man muss sich halt nur auf das Wesentliche konzentrieren. Und das macht der Japaner ohnehin gerne: essen, schlafen, baden. Aber ich will mich nicht beschweren, denn schließlich profitieren wir von den „Drei Säulen“. Lediglich den Schlaf verschieben wir regelmäßig auf „morgen“. Die fast täglich wechselnden Drehorte machen sich bemerkbar, die Distanzen sind groß und so erreichen wir in der Regel recht spät unsere Hotels. Und da machen wir es dann wie die Schneeaffen – ab ins heiße Bad. Ein Affenweibchen hat die heißen Quellen vulkanischen Ursprungs Ende der 60iger Jahre für sich entdeckt und Generationen von Affenhorden springen seitdem jedes Jahr pünktlich mit dem ersten Schnee ins dampfende Nass. 
Aber im Gegensatz zu den Rotgesichtsmakaken halten wir uns zumindest an die einfachste aller Regeln: vorher waschen. Und zwar gründlich und für alle weithin gut sicht- und hörbar. Lautes Prusten und viel Shampoo sind glücklicherweise als Beweis zugelassen und so dürfen wir für die Dreharbeiten im Pool dann zur Belohnung ausnahmsweise Badekleidung tragen - Steadicam und Freikörperkultur passen ja auch nicht wirklich zusammen. 
Und last, but not least: das Essen. Man könnte auch von einer Wundertüte sprechen. Ganz selten wissen wir, was uns erwartet und fast genauso selten erfahren wir, was wir da eigentlich genüsslich verspeisen. Schleimiges, salziges und unbeschreibliches. Salzpflaumen, rohes Pferdefleisch, Aal - kurz und gut: eine Menge Leckereien kreuzen unseren Weg und dafür muss man entsprechend entspannt gekleidet sein.  Wir greifen die Sitte gerne auf und passen uns den Gepflogenheiten an. Allerdings stößt unsere Gelenkigkeit mit lautem Ächzen an ihre Grenzen. 

Dienstag, 14. September 2010

Käsekuchen und Gasalarm

Blick auf Nagoya beim Abflug, Langzeitbelichtung
Die Sonne brennt uns gnadenlos auf den Pelz, der Schweiß fließt wieder mal in Strömen, aber vor meiner Kamera spielt sich beeindruckendes ab: Kormoranfischen. Was das ist? Ganz einfach: ein Kormoran bekommt eine Art Halsband umgelegt und eine Leine um den Körper. Dann ab ins Wasser mit dem Tier, die Leine schön locker halten. Der Kormoran taucht und fängt die Fische – die Kleinen kann er schlucken, nur die Grossen schafft er nicht; das Halsband sitzt zu eng. Sobald der Vogel den Hals voll hat, zieht der Fischer ihn an Bord und massiert den Hals, bis der Kormoran den Fang wieder hoch würgt. Und weiter geht’s. Ein gut trainiertes Tier schafft bis zu 150 Fische in der Stunde, etwa 12 Tiere sind gleichzeitig im Flusswasser – da ist mächtig was los. Den Buddhisten hilft diese Form des Fischens übrigens auch: die Kormorane übernehmen für sie das Töten der Fische, etwas, was sie selber nicht dürfen. Nebenbei bemerkt ist der Drehort eine einzige Qual, denn um uns herum fahren regelmäßig Züge über die Eisenbahnbrücke, Touristenboote knattern lautstark an uns vorbei und der örtliche Fischer erklärt uns höflich, dass er eigentlich keine Zeit mehr hat. Auch die nahe gelegene Bundesstrasse und die zahlreichen Wassersportler bereiten uns keine Freude. Aber: nichts von alledem wird nachher zu sehen oder zu hören sein, wir können zufrieden sein. Das wohlverdiente Mittags-Sushi ist hervorragend und der umgehend folgende Käsekuchen schmeckt ebenfalls. Seit Tagen zucker- und fettarme Kost; auch wenn uns die lokale Küche ausgezeichnet schmeckt - jetzt ist es dann doch Zeit das Ende der Abstinenz. Auf dem Weg zum Flughafen fangen wir dann aber doch wieder an mit dem Aufhören: wir hören nämlich auf, uns zu wundern. Immer wieder schauen wir auf die Uhr - es sind nur noch 25 Minuten bis zum Abflug und unsere Aufnahmeleiterin Fuyuko ist völlig entspannt. Warum auch nicht? 5 Passagiere und 230kg, verteilt auf 16 Gepäckstücke – das ist offensichtlich ein Klacks für das japanische Zeitmanagement. Also schieben wir gemütlich unsere Gepäckwagen in den Flughafen von Nagoya, Fuyukos Gelassenheit ist ansteckend. Der Anblick unserer kleinen Reisegruppe zaubert dem Personal ein Lächeln ins Gesicht, die damit verbundene Verbeugung leitet den stressfreien Check-in ein. Und als wir dann (pünktlich) in der kleinen Maschine nach Kumamoto sitzen – die Kamera liegt aus Platzgründen neben mir – blicke ich aus dem Fenster und bin dann doch noch überrascht: im letzten Tageslicht steht das siebenköpfige Bodenpersonal in Reih und Glied auf dem Vorfeld, verbeugt sich lächelnd wie auf Kommando und winkt zum Abschied mit strahlendweißen Handschuhen. Hm. Wie wäre es eigentlich, wenn man das auch mal auf deutschen Flughäfen einführen würde?
Am Abgrund
Aber all die Freundlichkeit hilft leider trotzdem nicht weiter. In Kumamoto gießt es wie aus Kübeln - vor lauter Wasser von oben sieht man kaum seine Hand vor den Augen. Und dabei wollen wir doch auf den Mount Aso, einen der aktivsten Vulkane der Welt. Bei dem Sauwetter ist der Krater jedoch weiträumig gesperrt; es ist viel zu gefährlich, sich am Kraterrand aufzuhalten. Unsere Geduld wird auf eine harte Probe gestellt, denn erst am nächsten Tag zeigt sich wieder blauer Himmel. Also, der Berg ruft - denken wir. Nur leider ist heute Gasalarm - ein höchst seltenes, aber dafür lebensgefährliches Ereignis. Alle zehn Jahre passiert das mal. Ist ja klasse. Wir werden Zeuge, wie Heerscharen von japanischen Touristen im Laufschritt die Aussichtsplattformen verlassen müssen und völlig aufgelöst in ihre Busse springen. Unser Drehtag scheint sich bereits in stinkiger Schwefelluft aufzulösen, als wir von unserem Vulkanologen Gasmasken in die Hand gedrückt bekommen und er uns abseits der touristischen Pfade direkt an den Kraterrand führt. Und bereits kurze Zeit später gibt er auch schon Entwarnung - und wir können das imposante Naturschauspiel in vollen Zügen geniessen.


Samstag, 11. September 2010

Sieben auf einen Streich

 
Tokio erinnert irgendwie an einen Ameisenbau. Fußballfelder auf dem Dach und Golfplätze im 4. Stock. Hektisches Treiben an jeder Ecke - 34 Millionen Menschen leben im gesamten Ballungsraum und damit ist diese Metropole wohl die größte Stadt der Welt. Und sie wächst jeden Tag weiter. Kein Wunder also, dass es fast 1,5 Stunden dauert, bis die Wolkenkratzer der Metacity nur noch in unserem Rückspiegel zu sehen sind. Und noch einmal 3 Stunden später betreten wir die Zeitmaschine und reisen 300 Jahre in die Vergangenheit... Die Samurai auf ihren Pferden sind eine beeindruckende Erscheinung. An der 30kg  schweren
Rüstung tragen sie das Katana, das sagenumwobene Schwert. In ihm wohnt die Seele der Krieger und wer es verliert, ist entehrt. Die unausweichliche Folge: Harakiri. Und wie testeten die Jungs die Härte der Klinge? Ganz einfach: sieben Menschen aufeinander legen und dann mit einem Streich... 

Donnerstag, 9. September 2010

Welcome to the Pleasuredome

Bereits kurz nach dem Einsteigen in den Airbus A380 ist klar: die japanische Höflichkeit beginnt bereits kurz hinter Frankfurt. Meine asiatischen Sitznachbarinnen geben sich nämlich dankenswerterweise alle erdenkliche Mühe mich in keinster Weise zu belästigen. Und während Thorsten sich dem analogen Entertainment in Form eines gedruckten Buches hingibt, erlebe ich den Flug in dieser riesigen Stahlwanne als völlig ereignislos. Nur leider auch als schlaflos. Und so fällt klares Denken im Laufe des Tages immer schwerer, die Augen offen zu halten ebenso. In meinem Hotelzimmer angekommen machen mir sogar die technischen Spielereien des stillen Örtchens zu schaffen - das Kleingedruckte auf der Klobrille hilft nicht weiter und ich kann nach einem kurzen Test nur dringend davon abraten, ohne Plan die Knöpfchen zu drücken.
Frei nach dem Motto "probieren geht über studieren" gerät die Suche nach der banalen Spülfunktion zu einem Abenteuer und man erfährt eindrucksvoll mehr über die japanische Entwicklungswut im Bereich Sanitär - ohne die Situation auch nur für einen Moment im Griff zu haben. Sprudelnde Wasserspiele, auch durch mehrfaches (festes) Drücken des (viel zu kleinen) "Stop"-Knopfes nicht zu bändigen, führen dann auch zu einer ersten Verspätung bei unserer Vorbesichtigungstour durch Tokio. Hier stellen wir sehr schnell fest, das wir ohne unsere Aufnahmeleiterin Fuyuko völlig aufgeschmissen wären. Kaum in der U-Bahn Station angekommen, verlieren wir schon die Orientierung und auch der Blick auf einen Ausschnitt des Streckennetzes gibt weniger Antworten als erhofft.
Trotz Müdigkeit hängen wir an Fuyukos Fersen und erreichen nach kurzer Zeit einen unserer Drehorte der nächsten Tage: die grösste Kreuzung Tokios, gelegen im Stadtteil Shibuya. Zu abendlichen Spitzenzeiten wird sie von bis zu 15.000 Menschen pro Ampelphase überquert. Als wir dort eintreffen, ist glücklicherweise nur ein Bruchteil unterwegs , so dass wir in Ruhe

Kamerapositionen festlegen können. Viel mehr geht dann aber auch nicht mehr. In unserem Hanseatisch-Rheinisch-Bayrischen Kollektiv lässt sich der Jetlag nun nicht mehr ignorieren und so machen wir uns nach einem nach einem leckeren Abendessen auf den Weg ins Hotel. Und bei dem Blick in mein Badezimmer frage ich mich verzweifelt, ob ich nicht lieber noch im Restaurant mal kurz hätte austreten sollen...aber da sind die Klos neben obligatorischer Dusch- & Bidetfunktion noch beheizt, haben einen integrierten Fön, geben komische Geräusche von sich und machen neuerdings auch Urintests - und DAS wäre für heute nun echt zu viel des Guten!


Dienstag, 7. September 2010

Materialschlacht vor dem Aufbruch

Morgen starten wir nach Japan zu den Dreharbeiten für "Terra X - Faszination Erde" und eins steht fest: Alchemie mutiert gegen unsere Verpackungskünste zum Firlefanz. Alles das, was über die vergangenen Wochen bestellt, geliefert, ausgepackt und mit erfreut nervösen Fingern getestet worden ist - alles das und noch viel mehr muss irgendwie in diese Kisten. Natürlich nicht einfach so, denn immerhin bewegen wir an die 200kg durch das Land der aufgehenden Sonne und der Drehplan ist straff. Fast täglich wechseln wir die Drehorte, die Logistik für Flüge und Fahrten ist gewaltig. Außerdem planen und packen wir ja nicht nur für eine Produktion - gleich im Anschluss fliegen wir weiter nach Mexiko und somit ist Ordnung Pflicht im mobilen Kameralager. Thorsten lächelt entspannt und sagt, das sei überhaupt kein Problem. Und der "Mann für den guten Ton" entpuppt sich dann auch als Profi bei der Platzsuche. Jedes Teil wird auf seine Anwesenheitspflicht überprüft, jeder Zentimeter ausgenutzt. Mal sehen, wie gut unser Gedächtnis ist, wenn wir am ersten Drehtag "Kamera-Memory" spielen. Und dabei genüsslich einen Espresso schlürfen - der übersteht die Verpackungsprozedur nämlich unversehrt.